Kuratoren über ncp:
Kuratoren über ncp:
Carena Schlewitt/ Kuratorin Hebbel am Ufer Berlin
Der weiche Faktor
„Rauschen“ (1996) – die erste Arbeit von Harriet Maria und Peter Meining deutete bereits im Titel die Programmatik an, die norton.commander.productions (ncp) in den kommenden 10 Jahren – bis heute – verfolgen würde. Es ging um das Rauschen, das man mit Störungen bei der Übertragung von Tonwellen oder Bildern verbindet, oder um das Rauschen, das in der Wahrnehmung einsetzt, wenn der Mensch von Medientechnologien überwältigt, überfordert wird. Und dennoch – die letzten 10 Jahre haben genau in dieser Technologieentwicklung gezeigt, dass der Mensch sich arrangieren muss und kann (auch will) und dass dieses neue Medien- und Computerzeitalter nicht nur eine Erleichterung, Herausforderung und strukturelle Veränderung in der alltäglichen Lebens- und Arbeitswelt sondern auch auf der Bühne darstellt.
In ihrer ersten Produktion „Rauschen“ agiert Peter Meining noch selber als Spielmaster, in einer Art Jahrmarktsbude, stellt Burger her und versucht zwischen einem Heer von Spielzeugrobotern, die rauschen, surren, klappern und leuchten, und dem Publikum zu vermitteln. Hier ist die Nähe zum Publikum noch im Stück als unmittelbare Kommunikation angelegt, weshalb dann auch der Zwischenruf von Meinings dreijähriger Tochter „Papa, Papa“ wie inszeniert erscheint.
Bereits das nächste Stück „Woyzeck“ (1997), im Rahmen des Festivals „reich & berühmt“ in der Parochialkirche Berlin aufgeführt, macht die Programmatik des Künstlerpaars unmissverständlich klar, die Konfrontation des Schauspielers, des menschlichen Körpers mit der Medienwelt und ihren ästhetischen Oberflächen, aber auch ihren impliziten politischen Machtstrukturen. Lars Rudolph spielt – ist – Woyzeck – allein mit einem Sofa und einem Mikrophon in der weiten Leere des Kirchenraumes. Über ihm hängen drei riesige Video-Screens. Auf den Leinwänden agieren – lediglich in Porträtaufnahmen, die anderen Figuren des Stücks: Marie, Hauptmann, Tambourmajor, Doktor etc. Die Texte und die Figuren sind mehrfach zerlegt, das Fragment „Woyzeck“ findet seine fragmentarische Aufteilung/Zerlegung mittels Filmschnitt. Unzählige Stars der Theater-, Film- und Popwelt sprechen die Texte der Figuren, zerschnitten in tausend Einzelteile. So entsteht eine bedrohliche Situation – großformatige Gesichter und ein kurzatmiger, weil geschnittener Text treiben Woyzeck in die Enge. Die Medienwelt hat Woyzeck umzingelt – ihm bleibt nur, sich in sein Innerstes zurückzuziehen. Und die Zuschauer sitzen – geschützt – in einem Glaskasten. Vor ihnen sind mehrere Monitore aufgebaut, so können sie ganz nah und dabei sein. Voyerismus pur. Das Erstaunliche dieser Inszenierung bestand in der Setzung und Ausbalancierung dieser drei Teile – Voyerismus/Beobachtung (Publikum), Handlung (Woyzeck) und Handlungsanweisung und Analyse des Falls Woyzecks (andere Stückfiguren).
In dem Maße, wie sich die Medientechnologien besonders in den vergangenen 10 Jahren rasend schnell verändert haben, Benutzeroberflächen geschaffen wurden, die eine Permanenz der Anbindung an Töne und Bilder gewährleisten, sind auch die Stücke von ncp von einer zunehmenden Perfektionierung dieser Ton- und Bildräume auf dem Theater gezeichnet. Wird noch in „Terrain! Terrain! Pull up! Pull up! (2000) – ein Stück über Flugzeugabstürze, das Ein- und Aussteigen von der Raum- (Theater) in die Bild-(Film) Ebene vorgeführt, sind in den Fassbinderstücken die Figuren von Beginn an Gefangene des klinisch sauberen Bildraumes und lediglich ein Hund verweist noch auf „Natur“ – auf nicht gerichtete Bewegungen im Raum, auf den „weichen“ Faktor. Die menschliche Fragilität zeigt sich noch in Resten per Bildübertragung – etwa in den Aufnahmen der großporigen Haut von Mario zu Beginn von „Tropfen auf heiße Steine“ (2002) oder in den irrenden Gesichtern der Live-Party-Filmaufnahmen in „Out of control“ (2002). ncp eliminieren den Menschen in seiner „natürlichen“ Form. In ihrer Stanislaw Lem Bearbeitung „Solaris“ (2004) gehen ncp dann noch weiter – fast könnte man von der Eliminierung der Raum/Bildebene sprechen. Räume und Bilder sind fast ausschließlich akustisch erfahrbar. Ein schwarzer Raum, Leuchtstreifen an Zelten deuten auf ein letztes Lager der Menschen, die im Zuge ihres eigenen Fortschritts sich selber abschaffen. Übrig bleiben die Stimmen. Erzählt wird die Geschichte von Solaris und der versuchten Erforschung des fremden Planeten wie ein großes trauriges Menschheitsmärchen.
Nach dieser Reduktion schien ein Endpunkt in der Konsequenz der Fragestellung – wie weit kann die Determinierung des menschlichen Handelns mittels Forschung und Technologie führen – erreicht.
Und an diesem Punkt öffnen ncp mit ihrer Reihe „Märchen. Naive Fragen – Komplexe Antworten“ überraschend ihr Konzept mit einem eher kleinen Format einer Theater-Märchen–Lecture, basierend auf Märchen der Gebrüder Grimm, die in gewisser Weise auch an ihre operative Arbeit „Betteln für Prada! Betteln für Gucci!“ (2002) im Stadtraum Düsseldorf anknüpft. Während dieser Aktion standen zwei Schauspieler mit Pappschildern auf der teuersten Strasse Deutschlands, der Königsallee in Düsseldorf, und bettelten für ihr Objekt des Begehrens – ein Paar Prada-Schuhe, eine Gucci-Tasche. Das Düsseldorfer Publikum fühlte sich ertappt, provoziert, in eine Kommunikationsfalle gelockt – ncp zeichneten Reaktionen, Gespräche und die Geldaufnahmen minutiös auf und begannen mit diesem Projekt, ökonomischen Verhältnissen in Mikroform nachzuspüren. Mit ihrem Märchenprojekt verbanden ncp makro-ökonomische Fragen, etwa die des Tausch-Handels oder die des Arbeit-Lohn-Verhältnisses mit den mikro-ökonomischen Vorgängen in den Märchen „Hans im Glück“ oder „Frau Holle“. Die Düsseldorfer Stadtintervention schien mir wie ein notwendiges Gegengewicht zu den geschlossenen Fassbinder-Theaterräumen. Die Märchenerzählung ist so etwas wie die Fortsetzung der Solaris-Erzählung auf einem anderen Stern, auf dem eher gesellschaftlich ökonomische Experimente versucht werden. Die Frage, worin der „soft factor“ Mensch, Kreatur besteht, bleibt aus allen Perspektiven offen.
Carena Schlewitt HEBBEL AM UFER
Kuratorin für Theater/ Leiterin Kaserne Basel
Harriet Maria und Peter Meining respektive dem Team von norton.commander.productions bei der Theaterarbeit zuzusehen macht größtes Vergnügen. Elegant und mit Humor mischen sie Theater, Film, Hörstück, Performance und Bildende Kunst.
Fein abgestimmt wechseln Text- und Inhaltsebenen, Geschichte und Recherche, Erkenntnis und Fiktion. Klare, sehr ästhetische Bühnenräume bieten Einblick und sorgen gleichzeitig für Überraschungen. Und der Alltag, verpackt in Zahlen und Wunderlichkeiten, verschafft sich immer wieder einen Auftritt während das Publikum versonnen an kleinen Bistrotischen sitzt und ein Karpfen ruhig seine Runden dreht.
Dieter Buroch Mousonturm Frankfurt am Main/Intendant
10 Jahre norton.commander.productions.
Projekttheater Dresden, eine kleine Blackbox, verwandelt in eine Showbühne, auf der eine lächerliche Eintertainer-Figur von einem erhöhten Ausguck herab Worthülsen ins Publikum schleudert bis jeglicher Gedanke sich in weißem Rauschen auflöst und die Bühne flächendeckend von einem Heer blinkender, schnarrender Spielzeugroboter erobert wird. Ich erinnere mich noch sehr genau an die unmittelbare Faszination dieser Aufführung, in der sich rückblickend schon ankündigte, was als kennzeichnend für die Produktionen von norton.commander.productions. gelten kann: das unablässige Streben nach einer perfekten Synthese von inhaltlichem Tiefgang mit einer räumlich, visuellen Gestaltung der Oberfläche. Bald darauf versammeln sie für „Genetik Woyzeck“ rund 20 prominente Gesichter aus der Welt des Kulturbetriebs – von Nick Cave und Udo Lindenberg, über Frank Castorf und Christoph Schlingensief bis hin zu Ulrich Wildgruber, Hanna Schygulla und Irm Hermann – und lassen diese Rollentexte aus Büchners Drama in die Videokamera sprechen. Eine Art „video kills the dramatic hero“ lange bevor das Wort vom postdramatischen Theater erfunden war. Diese Aufzeichnungen werden mit der Liveperformance von Lars Rudolph als Woyzeck zu einer Laborsituation montiert: Vor und unter den mächtigen Screens, auf die die virtuellen Personen projiziert werden, müht sich der Woyzeck-Darsteller um Repräsentanz in Ton und Bild, die ihm schon aufgrund der geringen Größe der Monitore, auf denen sein Abbild erscheint, verwährt bleiben muss. Schlimmer noch, es ist niemand anwesend, der auf seine Leibhaftigkeit unmittelbar reagieren könnte, da alle übrigen Figuren als filmische Konserve eingespielt werden. Während das Publikum hinter einer Glaswand verschanzt zusieht, wie Lars Rudolph mit einer Mikrokamera bis in sein Körperinneres vordringt. Diese Situation im Theaterraum lässt an Isolationsfolter ebenso denken wie sie den Autismus unserer Mediengesellschaft körperlich erfahrbar macht.
Ausgehend von ihrer „Woyzeck“-Inszenierung lassen sich seither die verschiedenen, thematischen und ästhetischen Linien weiter verfolgen, auf denen norton.commander.productions. ihren ganz eigenen Weg zwischen Theater, Film und bildender Kunst verfolgen: dazu gehört die Untersuchung des Einflusses neuer Technologien und naturwissenschaftlicher Forschung auf unser Bild vom Menschen („Solaris“, „Frankenstein“, „Die Zone“), die Auseinandersetzung mit dem Werk Rainer Werner Fassbinders („Tropfen auf heiße Steine“, „Out of Control“) aber auch die Entwicklung kleinerer, Film, Performance und Vortrag verbindenden Formate wie „Märchen. Naive Fragen Komplexe Antworten“, eine Reihe, die die Spielregeln der neuen Ökonomie anhand deutschen Märchenguts vorführt. Nicht zuletzt sind die Inszenierungen von Harriet Maria und Peter Meining durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Schauspielern wie Thomas Neumann, Lars Rudolph, Irm Hermann, Haymon Maria Buttinger, Pascale Schiller, Juliane Werner, Eva van Heijnigen, Mario Mentrup, Christian Wittmann und in jüngster Zeit Hermann Beyer geprägt.
Kathrin Tiedemann
Künstlerische Leiterin, Forum Freies Theater, Düsseldorf
Carena Schlewitt/ Kuratorin Hebbel am Ufer Berlin
Der weiche Faktor
„Rauschen“ (1996) – die erste Arbeit von Harriet Maria und Peter Meining deutete bereits im Titel die Programmatik an, die norton.commander.productions (ncp) in den kommenden 10 Jahren – bis heute – verfolgen würde. Es ging um das Rauschen, das man mit Störungen bei der Übertragung von Tonwellen oder Bildern verbindet, oder um das Rauschen, das in der Wahrnehmung einsetzt, wenn der Mensch von Medientechnologien überwältigt, überfordert wird. Und dennoch – die letzten 10 Jahre haben genau in dieser Technologieentwicklung gezeigt, dass der Mensch sich arrangieren muss und kann (auch will) und dass dieses neue Medien- und Computerzeitalter nicht nur eine Erleichterung, Herausforderung und strukturelle Veränderung in der alltäglichen Lebens- und Arbeitswelt sondern auch auf der Bühne darstellt.
In ihrer ersten Produktion „Rauschen“ agiert Peter Meining noch selber als Spielmaster, in einer Art Jahrmarktsbude, stellt Burger her und versucht zwischen einem Heer von Spielzeugrobotern, die rauschen, surren, klappern und leuchten, und dem Publikum zu vermitteln. Hier ist die Nähe zum Publikum noch im Stück als unmittelbare Kommunikation angelegt, weshalb dann auch der Zwischenruf von Meinings dreijähriger Tochter „Papa, Papa“ wie inszeniert erscheint.
Bereits das nächste Stück „Woyzeck“ (1997), im Rahmen des Festivals „reich & berühmt“ in der Parochialkirche Berlin aufgeführt, macht die Programmatik des Künstlerpaars unmissverständlich klar, die Konfrontation des Schauspielers, des menschlichen Körpers mit der Medienwelt und ihren ästhetischen Oberflächen, aber auch ihren impliziten politischen Machtstrukturen. Lars Rudolph spielt – ist – Woyzeck – allein mit einem Sofa und einem Mikrophon in der weiten Leere des Kirchenraumes. Über ihm hängen drei riesige Video-Screens. Auf den Leinwänden agieren – lediglich in Porträtaufnahmen, die anderen Figuren des Stücks: Marie, Hauptmann, Tambourmajor, Doktor etc. Die Texte und die Figuren sind mehrfach zerlegt, das Fragment „Woyzeck“ findet seine fragmentarische Aufteilung/Zerlegung mittels Filmschnitt. Unzählige Stars der Theater-, Film- und Popwelt sprechen die Texte der Figuren, zerschnitten in tausend Einzelteile. So entsteht eine bedrohliche Situation – großformatige Gesichter und ein kurzatmiger, weil geschnittener Text treiben Woyzeck in die Enge. Die Medienwelt hat Woyzeck umzingelt – ihm bleibt nur, sich in sein Innerstes zurückzuziehen. Und die Zuschauer sitzen – geschützt – in einem Glaskasten. Vor ihnen sind mehrere Monitore aufgebaut, so können sie ganz nah und dabei sein. Voyerismus pur. Das Erstaunliche dieser Inszenierung bestand in der Setzung und Ausbalancierung dieser drei Teile – Voyerismus/Beobachtung (Publikum), Handlung (Woyzeck) und Handlungsanweisung und Analyse des Falls Woyzecks (andere Stückfiguren).
In dem Maße, wie sich die Medientechnologien besonders in den vergangenen 10 Jahren rasend schnell verändert haben, Benutzeroberflächen geschaffen wurden, die eine Permanenz der Anbindung an Töne und Bilder gewährleisten, sind auch die Stücke von ncp von einer zunehmenden Perfektionierung dieser Ton- und Bildräume auf dem Theater gezeichnet. Wird noch in „Terrain! Terrain! Pull up! Pull up! (2000) – ein Stück über Flugzeugabstürze, das Ein- und Aussteigen von der Raum- (Theater) in die Bild-(Film) Ebene vorgeführt, sind in den Fassbinderstücken die Figuren von Beginn an Gefangene des klinisch sauberen Bildraumes und lediglich ein Hund verweist noch auf „Natur“ – auf nicht gerichtete Bewegungen im Raum, auf den „weichen“ Faktor. Die menschliche Fragilität zeigt sich noch in Resten per Bildübertragung – etwa in den Aufnahmen der großporigen Haut von Mario zu Beginn von „Tropfen auf heiße Steine“ (2002) oder in den irrenden Gesichtern der Live-Party-Filmaufnahmen in „Out of control“ (2002). ncp eliminieren den Menschen in seiner „natürlichen“ Form. In ihrer Stanislaw Lem Bearbeitung „Solaris“ (2004) gehen ncp dann noch weiter – fast könnte man von der Eliminierung der Raum/Bildebene sprechen. Räume und Bilder sind fast ausschließlich akustisch erfahrbar. Ein schwarzer Raum, Leuchtstreifen an Zelten deuten auf ein letztes Lager der Menschen, die im Zuge ihres eigenen Fortschritts sich selber abschaffen. Übrig bleiben die Stimmen. Erzählt wird die Geschichte von Solaris und der versuchten Erforschung des fremden Planeten wie ein großes trauriges Menschheitsmärchen.
Nach dieser Reduktion schien ein Endpunkt in der Konsequenz der Fragestellung – wie weit kann die Determinierung des menschlichen Handelns mittels Forschung und Technologie führen – erreicht.
Und an diesem Punkt öffnen ncp mit ihrer Reihe „Märchen. Naive Fragen – Komplexe Antworten“ überraschend ihr Konzept mit einem eher kleinen Format einer Theater-Märchen–Lecture, basierend auf Märchen der Gebrüder Grimm, die in gewisser Weise auch an ihre operative Arbeit „Betteln für Prada! Betteln für Gucci!“ (2002) im Stadtraum Düsseldorf anknüpft. Während dieser Aktion standen zwei Schauspieler mit Pappschildern auf der teuersten Strasse Deutschlands, der Königsallee in Düsseldorf, und bettelten für ihr Objekt des Begehrens – ein Paar Prada-Schuhe, eine Gucci-Tasche. Das Düsseldorfer Publikum fühlte sich ertappt, provoziert, in eine Kommunikationsfalle gelockt – ncp zeichneten Reaktionen, Gespräche und die Geldaufnahmen minutiös auf und begannen mit diesem Projekt, ökonomischen Verhältnissen in Mikroform nachzuspüren. Mit ihrem Märchenprojekt verbanden ncp makro-ökonomische Fragen, etwa die des Tausch-Handels oder die des Arbeit-Lohn-Verhältnisses mit den mikro-ökonomischen Vorgängen in den Märchen „Hans im Glück“ oder „Frau Holle“. Die Düsseldorfer Stadtintervention schien mir wie ein notwendiges Gegengewicht zu den geschlossenen Fassbinder-Theaterräumen. Die Märchenerzählung ist so etwas wie die Fortsetzung der Solaris-Erzählung auf einem anderen Stern, auf dem eher gesellschaftlich ökonomische Experimente versucht werden. Die Frage, worin der „soft factor“ Mensch, Kreatur besteht, bleibt aus allen Perspektiven offen.
Carena Schlewitt HEBBEL AM UFER
Kuratorin für Theater/ Leiterin Kaserne Basel
Harriet Maria und Peter Meining respektive dem Team von norton.commander.productions bei der Theaterarbeit zuzusehen macht größtes Vergnügen. Elegant und mit Humor mischen sie Theater, Film, Hörstück, Performance und Bildende Kunst.
Fein abgestimmt wechseln Text- und Inhaltsebenen, Geschichte und Recherche, Erkenntnis und Fiktion. Klare, sehr ästhetische Bühnenräume bieten Einblick und sorgen gleichzeitig für Überraschungen. Und der Alltag, verpackt in Zahlen und Wunderlichkeiten, verschafft sich immer wieder einen Auftritt während das Publikum versonnen an kleinen Bistrotischen sitzt und ein Karpfen ruhig seine Runden dreht.
Dieter Buroch Mousonturm Frankfurt am Main/Intendant
10 Jahre norton.commander.productions.
Projekttheater Dresden, eine kleine Blackbox, verwandelt in eine Showbühne, auf der eine lächerliche Eintertainer-Figur von einem erhöhten Ausguck herab Worthülsen ins Publikum schleudert bis jeglicher Gedanke sich in weißem Rauschen auflöst und die Bühne flächendeckend von einem Heer blinkender, schnarrender Spielzeugroboter erobert wird. Ich erinnere mich noch sehr genau an die unmittelbare Faszination dieser Aufführung, in der sich rückblickend schon ankündigte, was als kennzeichnend für die Produktionen von norton.commander.productions. gelten kann: das unablässige Streben nach einer perfekten Synthese von inhaltlichem Tiefgang mit einer räumlich, visuellen Gestaltung der Oberfläche. Bald darauf versammeln sie für „Genetik Woyzeck“ rund 20 prominente Gesichter aus der Welt des Kulturbetriebs – von Nick Cave und Udo Lindenberg, über Frank Castorf und Christoph Schlingensief bis hin zu Ulrich Wildgruber, Hanna Schygulla und Irm Hermann – und lassen diese Rollentexte aus Büchners Drama in die Videokamera sprechen. Eine Art „video kills the dramatic hero“ lange bevor das Wort vom postdramatischen Theater erfunden war. Diese Aufzeichnungen werden mit der Liveperformance von Lars Rudolph als Woyzeck zu einer Laborsituation montiert: Vor und unter den mächtigen Screens, auf die die virtuellen Personen projiziert werden, müht sich der Woyzeck-Darsteller um Repräsentanz in Ton und Bild, die ihm schon aufgrund der geringen Größe der Monitore, auf denen sein Abbild erscheint, verwährt bleiben muss. Schlimmer noch, es ist niemand anwesend, der auf seine Leibhaftigkeit unmittelbar reagieren könnte, da alle übrigen Figuren als filmische Konserve eingespielt werden. Während das Publikum hinter einer Glaswand verschanzt zusieht, wie Lars Rudolph mit einer Mikrokamera bis in sein Körperinneres vordringt. Diese Situation im Theaterraum lässt an Isolationsfolter ebenso denken wie sie den Autismus unserer Mediengesellschaft körperlich erfahrbar macht.
Ausgehend von ihrer „Woyzeck“-Inszenierung lassen sich seither die verschiedenen, thematischen und ästhetischen Linien weiter verfolgen, auf denen norton.commander.productions. ihren ganz eigenen Weg zwischen Theater, Film und bildender Kunst verfolgen: dazu gehört die Untersuchung des Einflusses neuer Technologien und naturwissenschaftlicher Forschung auf unser Bild vom Menschen („Solaris“, „Frankenstein“, „Die Zone“), die Auseinandersetzung mit dem Werk Rainer Werner Fassbinders („Tropfen auf heiße Steine“, „Out of Control“) aber auch die Entwicklung kleinerer, Film, Performance und Vortrag verbindenden Formate wie „Märchen. Naive Fragen Komplexe Antworten“, eine Reihe, die die Spielregeln der neuen Ökonomie anhand deutschen Märchenguts vorführt. Nicht zuletzt sind die Inszenierungen von Harriet Maria und Peter Meining durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Schauspielern wie Thomas Neumann, Lars Rudolph, Irm Hermann, Haymon Maria Buttinger, Pascale Schiller, Juliane Werner, Eva van Heijnigen, Mario Mentrup, Christian Wittmann und in jüngster Zeit Hermann Beyer geprägt.
Kathrin Tiedemann
Künstlerische Leiterin, Forum Freies Theater, Düsseldorf
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