Porträt in Theater Heute von Andreas Wilink
Ein Portraet zum zehnjaehrigen Jubilaeum von "norton-commander.productions"
Von Andreas Wilink
Um "Rosemaries Baby" inszenieren zu wollen, ist es nicht noetig, sich den Film anzuschauen, vielleicht ist es sogar schaedlich. Statt Polanski haben Harriet Maria und Peter Meining mit ihrem Team gemeinsam Michael Hanekes Film "Caché" geguckt. Bei Uebereinstimmungen zwischen der Teufelei in New York und einer intellektuellen Pariser Kultur-Bohème, die sich ploetzlich der Ueberwachung ihres privaten Lebens ausgesetzt fuehlt, ist man schnell bei mehrals nur Atmosphaerischem. Es geht ein Riss durch die Welt, der sich nicht schliessen laesst. Koerperlose Gefahr sorgt zunaechst fuer Verunsicherung, schliesslich fuer Aufloesung und Zerstoerung. Womit ein, wenn nicht sogar das zentrale Thema von "n.c.p" benannt waere - unter diesem Titel haben vor zehn Jahren Harriet Maria (Jahrgang1967) und Peter (1971) Meining ihre Kreativgruppe gegruendet. Wenn der Name ein bisschen nach "Enterprise" klingt, auch gut, denn mit einem Aufbruch in andere Raeume hat das "Unternehmen" durchaus zu tun. Mit ihren Arbeiten, zu denen Performances, Installationen, Stadtinterventionen wie etwa ihre "Luxus"-Verschwendung beim "Theater der Welt" 2002 in Duesseldorf sowie Kurzfilme gehoeren, bewegen sie sich an der Schnittstelle von Theater, Film, Bildender Kunst und Neuen Medien. Es ist Theater und gleichzeitig Theorie des Theaters. Die Dramen-Realitaet wird nicht linear entwickelt, sondern reflektiert, filmisch konstruiert, mehrschichtig montiert und auf simultane Ebenen gehoben. Der Begriff Offenes Kunstwerk bietet sich an. Auch fuer ihr juengstes "Baby", entstanden als Koproduktion zwischen dem Theaterhaus Jena, Mousonturm Frankfurt und HAU in Berlin. Polanskis Horror-Klassiker ist nach zwei Fassbinder-Adaptionen sowie einer Version von Lems (und Tarkowskys) "Solaris" und Mary Shelleys "Frankenstein" wiederum ein Stoff, der sich - neben anderem - aufs Kino bezieht. Es sei schon richtig, sagen sie, dass ihre Vorbilder beim Film anzutreffen seien. Haneke ist da nur ein Beispiel. Ebenfalls bei Lynch, Cassavetes, Lars von Trier und Fassbinder schaetzen sie "inhaltliche Konsequenz und Kompromisslosigkeit", bei Alexander Kluge den hoechst subjektiven Wahrnehmungs-Apparat. Auch Kubrick gehoert in die Reihe - die "Solaris"-Adaption der Meinings legt den Bezug nahe. Suggestive Raumsetzung und Sound, die ein sehr spezielles Feeling schaffen, erinnern an die "2001-Odyssee" und das Vakuum der Zeitstille. Die "Commander" Meinings sprechen von "Traegerstimmung" und betonen fuer deren Zustandekommen ihre kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Komponisten Nikolaus Woernle, dem Lichtkuenstler Thomas Fissler, dem Architekten Jens Heinrich Zander und der Videokuenstlerein Gabi Nagel. Das Theater von "norton-commander-productions" ist immer Kunst der Montage. Ihre ersten Arbeiten, sagt Harriet Maria Meining, die in Dresden Kunst studiert hat, seien "zum Teil schon maechtig mit Theorie und Kontext aufgeladen" gewesen. Als sie 1997 "Genetik Woyzeck" inszenierten, mischten sie prominente Kuenstler, die nur als bewegtes Bild praesent und gewissermassen reproduzierbar waren, mit "realen" Schauspielern, die selbst unentrinnbar in eine Maschine der Bilder eingespannt waren, und schufen eine intime Collage der Imitation. Ein Ansatz, der sich 2000 in "Terrain, pull up" wiederholte, wenn der "Star" Mathieu Carrière mit seinem jungen schoenen Selbstbildnis aus Harry Kuemels phantastischem Film "Malpertuis" konfrontiert und damit ein flimmerndes Albumblatt aus seinem eigenen Erinnerungsspeicher konstruiert wird. Noch eine Einfluss-Sphäre laesst sich unschwer registrieren: die von Godard, der die Krise der modernen Industriegesellschaft in die Form seiner Filme uebertrug und dieses Krisenbewusstsein selbst zum Irritations- und Strukturelement machte. Die Meinings erweitern dies bis in die Informationsgesellschaft und Welt der New Economy. Ihre aktuelle Produktion zeigt das beispielhaft.m"Rosemaries Baby" ist bei ihnen kein historischer Nachkoemmling, sondern wie neu ausgebruetet. Der Plot bleibt buehnenhaft knapp erzaehlt, wobei sich die teuflische Intrige sehr frueh - deutlicher als bei Polanski - enthuellt. Darunter und darueber aber ziehen die Regisseure mit Textmaterial, Sound-Mix, Video und Fremd-Koerpern eine Kommentarebene ein, die in ihren Mitteln ironisch, in ihren Behauptungen von moralischem Rigorismus ist. Aus dem zeitfernen Horror erwaechst so eine Zeitdiagnose ueber unser - wie der "Spiegel" juengst befand - "Land des Laechelns", in dem die Politik der Misere mit dieser Grimasse trotzt. Die schwarze Messe, die die Personen um Rosemarie - Ehemann Guy, das Nachbarspaar, der Gynaekologe Sapirstein - feiern, um die Geburt von Satans Sohn einzuleiten, nimmt den Charakter negativer Theologie an. Die Achse des Boesen biegt sich weit von Genmanipulation, den Memoranden von Ethik-Kommissionen, Geldfressern und Money-Makern zum religioesem Erweckungs-Wahn, Kreationisten und anderen falschen Propheten. Gewollt naiv wirkende Spielmittel setzen einen Kontrast, um die komplexen Zusammenhaenge zu verlinken. So liegen die Satanisten-Manager wie Vampire in mit Satin ausgeschlagenen Grueften, tritt ein Klon-Agent mit einem simplen Musterkoffer auf, huscht zur kuenstlichen Befruchtung ein Maeuschen herbei. Der Schoss ist ganz anders fruchtbar noch, aus dem das Baby mit den gelben Augen kriecht. In ihren theatralischen Untersuchungen interessieren sich die Meinings, die unterschiedlichste Informationen "durch den eigenen Wahrnehmungsfilter jagen", eher fuer den Befund als solches, fuer die Zustandsbeschreibung, waehrend sie der psychologischen Erklaerbarkeit oder Motivation einer Handlung nur geringe Bedeutung beimessen. Ihrem synthetischen Theater kann man beim Denken zusehen. Was ein schoenes Kompliment ist, vielleicht auch ein gefaehrliches. Sie verweigern sich narrativer Geradlinigkeit, trennen Sprechakt und Sprecher, Koerper und Seele, ueberqueren Assoziationsfelder, markieren Bruchstellen, haeufig von der Kamera herbeigefuehrt. So uebersetzt sich in "Tropfen auf heisse Steine" (2003) die Schein-Produktion der Figuren selbst, wenn sich der Buehnenraum mittels Projektion auf einer Lamellenwand erweitert und das fatale Beziehungsdrama sich in dem reflektierenden Medium spiegelt. Die Faszination fuer Vorgaenge, deren Mechanik zu persoenlichen Katastrophen fuehrt, hat etwas Kaltbluetiges. Es ist, als spielten alle Stuecke der Meinings in einem fuer sensible Menschen lebensbedrohlichen Jahr mit dreizehn Monden. Die Methode, das Material zu praeparieren, laesst sie wie Anatome erscheinen, deren klinisches Instrumentarium neutralisierende, vereisende Wirkung hat. Den Psychopathologien des Alltags, ob in der Wohnstube wie bei Fassbinders Melodramen, in Labors oder im Universum angesiedelt, ob "Tropfen", der Amoklauf "Out of Control", "Solaris", "Frankensteins" Allmachtsphantasie und "Rosemaries Baby", ist eines gemeinsam: Es sind Protokolle der Vernichtung. Sie handeln von Entmaechtigung und Ueberwaeltigung - von Menschen durch Menschen, durch hoehere Gewalt, durch goettliche oder satanische Macht. Als Leute aus dem Osten - die Meinings stammen aus Dresden - haetten sie, sagen sie laechelnd, Entmaechtigung im Blut. Und zitieren einen befreundeten Regisseur, der ihnen "feines Gespuer fuer Putrefaction" attestiert habe - also fuer Verbindungen, die bei mangelndem Sauerstoffzutritt in Faeulnis uebergehen. Dieser Verwesungs-Zustand will indes kunstvoll arrangiert sein. Gleichwohl sind die Meinings Puristen, die es vorziehen, "eine Szene durch Stille aufzuladen statt Budenzauber zu machen", und denen "nie einfiele, ein Video als blosse Hintergrundbebilderung einzusetzen oder einen Popsong einzuspielen, weil das Publikum darauf abfaehrt". Sie stiften lieber Zusammenhaenge als Identifikation und schaffen "gleichschwebende Aufmerksamkeit", wie es bei Sigmund Freud heisst. Natuerlich wissen sie um die Gefahren der Abstraktion und reagieren darauf mit spielerischen, gern auch kindlich neugierigen Aufloesungen. So gibt es in "Rosemaries Baby" eine Trio-Szene mit einem Kierkegaard-Text ueber die Einheit der Gegensaetze, auch von Gott und Teufel, die sich leichthin aufloest, indem die Thesen wie in einer ZaubertrickNummer jongliert werden. Zum einen fuehren die Meinings Techniken vor, die den Menschen ueberwaeltigen, andererseits nutzen sie selbst auf ausgekluegelte Weise technisches Knowhow. Ihnen sei schon bewusst, "dass die eigentlichen Theaterauffuehrungen und Performances in den Labors stattfinden und unsere Reflexionen angesichts dieser Entwicklungen nur zu belaechelnde Zuckungen sind, wie aus einem Archiv oder Museum, das noch an die Aufklärung oder moralische Anstalt glaubt". Als skeptische Aufklaerer jedenfalls wissen sie, dass Teufels Werk eher als Gottes Auftrag Erfolg hat. Das hoellische Gelaechter, das in "Rosemaries Baby" diejenigen anstimmen, die die werdende Mutter manipulieren und in ihr System integrieren, wird einem noch lange in den Ohren gellen. Gut zu wissen, das wenigstens Harriet Maria und Peter Meining standhaft bleiben. Der Versuchung Satans, der alle irdischen Reichtuemer offeriert, widerstehen sie. Und nehmen die Unsicherheit des freien Produzierens in Kauf. Noch funktioniert ein Netzwerk, in dem sie namentlich Matthias Lilienthal, Carena Schlewitt, Katrin Tiedemann, Niels Ewerbeck, Dieter Buroch und Christine Peters erwaehnen. Zudem haette ohne die Unterstuetzung von Stiftungen, der Stadt Dresden und nicht zuletzt Hellerau ihre Entwicklung nicht stattfinden koennen. Doch die oekonomische Gesamtlage und der Zugriff der etablierten Theater auf Foerderinstrumente der freien Szene biete perspektivisch immer schwierigere Produktionsbedingungen. Das gefaehrde die Eigenstaendigkeit. Mehr und mehr stellt sich die Frage der Zumutbarkeit. "Eigentlich laesst es sich nicht verantworten, einen Kameramann fuer nichts als die Fahrtkosten 24 Stunden fuer sich arbeiten zu lassen. Man erkaempft sich eine Form von Freundschaft, darf sie aber nicht endlos missbrauchen."
Von Andreas Wilink
Um "Rosemaries Baby" inszenieren zu wollen, ist es nicht noetig, sich den Film anzuschauen, vielleicht ist es sogar schaedlich. Statt Polanski haben Harriet Maria und Peter Meining mit ihrem Team gemeinsam Michael Hanekes Film "Caché" geguckt. Bei Uebereinstimmungen zwischen der Teufelei in New York und einer intellektuellen Pariser Kultur-Bohème, die sich ploetzlich der Ueberwachung ihres privaten Lebens ausgesetzt fuehlt, ist man schnell bei mehrals nur Atmosphaerischem. Es geht ein Riss durch die Welt, der sich nicht schliessen laesst. Koerperlose Gefahr sorgt zunaechst fuer Verunsicherung, schliesslich fuer Aufloesung und Zerstoerung. Womit ein, wenn nicht sogar das zentrale Thema von "n.c.p" benannt waere - unter diesem Titel haben vor zehn Jahren Harriet Maria (Jahrgang1967) und Peter (1971) Meining ihre Kreativgruppe gegruendet. Wenn der Name ein bisschen nach "Enterprise" klingt, auch gut, denn mit einem Aufbruch in andere Raeume hat das "Unternehmen" durchaus zu tun. Mit ihren Arbeiten, zu denen Performances, Installationen, Stadtinterventionen wie etwa ihre "Luxus"-Verschwendung beim "Theater der Welt" 2002 in Duesseldorf sowie Kurzfilme gehoeren, bewegen sie sich an der Schnittstelle von Theater, Film, Bildender Kunst und Neuen Medien. Es ist Theater und gleichzeitig Theorie des Theaters. Die Dramen-Realitaet wird nicht linear entwickelt, sondern reflektiert, filmisch konstruiert, mehrschichtig montiert und auf simultane Ebenen gehoben. Der Begriff Offenes Kunstwerk bietet sich an. Auch fuer ihr juengstes "Baby", entstanden als Koproduktion zwischen dem Theaterhaus Jena, Mousonturm Frankfurt und HAU in Berlin. Polanskis Horror-Klassiker ist nach zwei Fassbinder-Adaptionen sowie einer Version von Lems (und Tarkowskys) "Solaris" und Mary Shelleys "Frankenstein" wiederum ein Stoff, der sich - neben anderem - aufs Kino bezieht. Es sei schon richtig, sagen sie, dass ihre Vorbilder beim Film anzutreffen seien. Haneke ist da nur ein Beispiel. Ebenfalls bei Lynch, Cassavetes, Lars von Trier und Fassbinder schaetzen sie "inhaltliche Konsequenz und Kompromisslosigkeit", bei Alexander Kluge den hoechst subjektiven Wahrnehmungs-Apparat. Auch Kubrick gehoert in die Reihe - die "Solaris"-Adaption der Meinings legt den Bezug nahe. Suggestive Raumsetzung und Sound, die ein sehr spezielles Feeling schaffen, erinnern an die "2001-Odyssee" und das Vakuum der Zeitstille. Die "Commander" Meinings sprechen von "Traegerstimmung" und betonen fuer deren Zustandekommen ihre kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Komponisten Nikolaus Woernle, dem Lichtkuenstler Thomas Fissler, dem Architekten Jens Heinrich Zander und der Videokuenstlerein Gabi Nagel. Das Theater von "norton-commander-productions" ist immer Kunst der Montage. Ihre ersten Arbeiten, sagt Harriet Maria Meining, die in Dresden Kunst studiert hat, seien "zum Teil schon maechtig mit Theorie und Kontext aufgeladen" gewesen. Als sie 1997 "Genetik Woyzeck" inszenierten, mischten sie prominente Kuenstler, die nur als bewegtes Bild praesent und gewissermassen reproduzierbar waren, mit "realen" Schauspielern, die selbst unentrinnbar in eine Maschine der Bilder eingespannt waren, und schufen eine intime Collage der Imitation. Ein Ansatz, der sich 2000 in "Terrain, pull up" wiederholte, wenn der "Star" Mathieu Carrière mit seinem jungen schoenen Selbstbildnis aus Harry Kuemels phantastischem Film "Malpertuis" konfrontiert und damit ein flimmerndes Albumblatt aus seinem eigenen Erinnerungsspeicher konstruiert wird. Noch eine Einfluss-Sphäre laesst sich unschwer registrieren: die von Godard, der die Krise der modernen Industriegesellschaft in die Form seiner Filme uebertrug und dieses Krisenbewusstsein selbst zum Irritations- und Strukturelement machte. Die Meinings erweitern dies bis in die Informationsgesellschaft und Welt der New Economy. Ihre aktuelle Produktion zeigt das beispielhaft.m"Rosemaries Baby" ist bei ihnen kein historischer Nachkoemmling, sondern wie neu ausgebruetet. Der Plot bleibt buehnenhaft knapp erzaehlt, wobei sich die teuflische Intrige sehr frueh - deutlicher als bei Polanski - enthuellt. Darunter und darueber aber ziehen die Regisseure mit Textmaterial, Sound-Mix, Video und Fremd-Koerpern eine Kommentarebene ein, die in ihren Mitteln ironisch, in ihren Behauptungen von moralischem Rigorismus ist. Aus dem zeitfernen Horror erwaechst so eine Zeitdiagnose ueber unser - wie der "Spiegel" juengst befand - "Land des Laechelns", in dem die Politik der Misere mit dieser Grimasse trotzt. Die schwarze Messe, die die Personen um Rosemarie - Ehemann Guy, das Nachbarspaar, der Gynaekologe Sapirstein - feiern, um die Geburt von Satans Sohn einzuleiten, nimmt den Charakter negativer Theologie an. Die Achse des Boesen biegt sich weit von Genmanipulation, den Memoranden von Ethik-Kommissionen, Geldfressern und Money-Makern zum religioesem Erweckungs-Wahn, Kreationisten und anderen falschen Propheten. Gewollt naiv wirkende Spielmittel setzen einen Kontrast, um die komplexen Zusammenhaenge zu verlinken. So liegen die Satanisten-Manager wie Vampire in mit Satin ausgeschlagenen Grueften, tritt ein Klon-Agent mit einem simplen Musterkoffer auf, huscht zur kuenstlichen Befruchtung ein Maeuschen herbei. Der Schoss ist ganz anders fruchtbar noch, aus dem das Baby mit den gelben Augen kriecht. In ihren theatralischen Untersuchungen interessieren sich die Meinings, die unterschiedlichste Informationen "durch den eigenen Wahrnehmungsfilter jagen", eher fuer den Befund als solches, fuer die Zustandsbeschreibung, waehrend sie der psychologischen Erklaerbarkeit oder Motivation einer Handlung nur geringe Bedeutung beimessen. Ihrem synthetischen Theater kann man beim Denken zusehen. Was ein schoenes Kompliment ist, vielleicht auch ein gefaehrliches. Sie verweigern sich narrativer Geradlinigkeit, trennen Sprechakt und Sprecher, Koerper und Seele, ueberqueren Assoziationsfelder, markieren Bruchstellen, haeufig von der Kamera herbeigefuehrt. So uebersetzt sich in "Tropfen auf heisse Steine" (2003) die Schein-Produktion der Figuren selbst, wenn sich der Buehnenraum mittels Projektion auf einer Lamellenwand erweitert und das fatale Beziehungsdrama sich in dem reflektierenden Medium spiegelt. Die Faszination fuer Vorgaenge, deren Mechanik zu persoenlichen Katastrophen fuehrt, hat etwas Kaltbluetiges. Es ist, als spielten alle Stuecke der Meinings in einem fuer sensible Menschen lebensbedrohlichen Jahr mit dreizehn Monden. Die Methode, das Material zu praeparieren, laesst sie wie Anatome erscheinen, deren klinisches Instrumentarium neutralisierende, vereisende Wirkung hat. Den Psychopathologien des Alltags, ob in der Wohnstube wie bei Fassbinders Melodramen, in Labors oder im Universum angesiedelt, ob "Tropfen", der Amoklauf "Out of Control", "Solaris", "Frankensteins" Allmachtsphantasie und "Rosemaries Baby", ist eines gemeinsam: Es sind Protokolle der Vernichtung. Sie handeln von Entmaechtigung und Ueberwaeltigung - von Menschen durch Menschen, durch hoehere Gewalt, durch goettliche oder satanische Macht. Als Leute aus dem Osten - die Meinings stammen aus Dresden - haetten sie, sagen sie laechelnd, Entmaechtigung im Blut. Und zitieren einen befreundeten Regisseur, der ihnen "feines Gespuer fuer Putrefaction" attestiert habe - also fuer Verbindungen, die bei mangelndem Sauerstoffzutritt in Faeulnis uebergehen. Dieser Verwesungs-Zustand will indes kunstvoll arrangiert sein. Gleichwohl sind die Meinings Puristen, die es vorziehen, "eine Szene durch Stille aufzuladen statt Budenzauber zu machen", und denen "nie einfiele, ein Video als blosse Hintergrundbebilderung einzusetzen oder einen Popsong einzuspielen, weil das Publikum darauf abfaehrt". Sie stiften lieber Zusammenhaenge als Identifikation und schaffen "gleichschwebende Aufmerksamkeit", wie es bei Sigmund Freud heisst. Natuerlich wissen sie um die Gefahren der Abstraktion und reagieren darauf mit spielerischen, gern auch kindlich neugierigen Aufloesungen. So gibt es in "Rosemaries Baby" eine Trio-Szene mit einem Kierkegaard-Text ueber die Einheit der Gegensaetze, auch von Gott und Teufel, die sich leichthin aufloest, indem die Thesen wie in einer ZaubertrickNummer jongliert werden. Zum einen fuehren die Meinings Techniken vor, die den Menschen ueberwaeltigen, andererseits nutzen sie selbst auf ausgekluegelte Weise technisches Knowhow. Ihnen sei schon bewusst, "dass die eigentlichen Theaterauffuehrungen und Performances in den Labors stattfinden und unsere Reflexionen angesichts dieser Entwicklungen nur zu belaechelnde Zuckungen sind, wie aus einem Archiv oder Museum, das noch an die Aufklärung oder moralische Anstalt glaubt". Als skeptische Aufklaerer jedenfalls wissen sie, dass Teufels Werk eher als Gottes Auftrag Erfolg hat. Das hoellische Gelaechter, das in "Rosemaries Baby" diejenigen anstimmen, die die werdende Mutter manipulieren und in ihr System integrieren, wird einem noch lange in den Ohren gellen. Gut zu wissen, das wenigstens Harriet Maria und Peter Meining standhaft bleiben. Der Versuchung Satans, der alle irdischen Reichtuemer offeriert, widerstehen sie. Und nehmen die Unsicherheit des freien Produzierens in Kauf. Noch funktioniert ein Netzwerk, in dem sie namentlich Matthias Lilienthal, Carena Schlewitt, Katrin Tiedemann, Niels Ewerbeck, Dieter Buroch und Christine Peters erwaehnen. Zudem haette ohne die Unterstuetzung von Stiftungen, der Stadt Dresden und nicht zuletzt Hellerau ihre Entwicklung nicht stattfinden koennen. Doch die oekonomische Gesamtlage und der Zugriff der etablierten Theater auf Foerderinstrumente der freien Szene biete perspektivisch immer schwierigere Produktionsbedingungen. Das gefaehrde die Eigenstaendigkeit. Mehr und mehr stellt sich die Frage der Zumutbarkeit. "Eigentlich laesst es sich nicht verantworten, einen Kameramann fuer nichts als die Fahrtkosten 24 Stunden fuer sich arbeiten zu lassen. Man erkaempft sich eine Form von Freundschaft, darf sie aber nicht endlos missbrauchen."
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