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EDEN 3030

Kurzfilm - SciFi 37min 2023
Trailerpresse






Per Stickstoff ins Ungewisse
„Eden 3030“ des Regisseur-Ehepaars Meining feierte jüngst seine Dresden-Premiere. Was kommt nach 1000 Jahren Konservierung?
„Was soll schon passieren?“, fragt Eva. Adam, er schwitzt so sehr, dass es tropft, kann nur entgegnen: „Ich habe Angst.“ Die beiden sitzen in dem futuristisch anmutenden Foyer eines Kryonik-Instituts und sind im Begriff, den Vertrag zu unterzeich- nen, der besiegelt, dass sie nach ihrem natürlichen Tod auf Eis gelegt werden. Evas lapidare Frage gibt einen zunächst unschuldig wirken- den Ausblick auf das, was die beiden erwartet. Der Kurzfilm „Eden 3030“ des Dresdner Regie-Ehepaars Mei- ning verhandelt auf durchaus hu- morvolle Art und Weise die Tücken des Einfrierens auf unbestimmte Dauer und die Ungewissheit der Zeit danach.
Eva, gespielt von Llewellyn Reichmann, ist begeistert von der Idee, in ferner Zukunft weiterzule- ben, betont das auch immer wieder. Obendrein wüsste sie gar nicht, was sie mit ihrem Geld anstellen sollte. Adam, den Samouil Stoyanov ver- körpert, wurde mitgeschleppt und findet erst im Gespräch mit dem Chef der Kryonikfirma heraus, was ihm blüht. All das, was er erfährt, überfordert ihn: Die Uhr, die er fort- an tragen soll, damit Mitarbeiter der Firma „schnell Eis besorgen“ kön- nen, wenn er von dannen geht; die kautzige Art des Institutschefs, der ihm erklärt, dass danach „Super- cool“ durch seine Arterien fließen soll; der Champagner, der zur „Auf- nahme in den Club“ geöffnet wird – „Celebration.“ Es überfordert ihn derart, dass er kurzerhand umkippt. Zum Glück war der Vertrag bereits unterschrieben.Während die Uhr, mit einem durchgehenden Piepton, dem Zu- schauer signalisiert, dass Adam nicht wieder aufstehen wird und der Kryonikchef höchst engagiert „Stayin’ Alive“ von den Bee Gees singend sein Bestes bei der Herz- druckmassage gibt, läuft Eva ma- nisch durch das Foyer. Zumindest so lange, bis der langsam eingeblende- te Bee Gees-Song in einem stump- fen Geräusch gipfelt. Schnitt, Eva steckt mit dem Kopf in der Tischplat- te aus Glas. 1000 Jahre später, die Konservie- rung ist vorbei und der Kurzfilm nimmt richtig Fahrt auf. Die Zu- kunftsszenen drehte das Team im Probenhaus des Staatsschauspiels (DNN berichteten), was das minima- listische Setting erklärt. Adam und Eva sehen sich plötzlich mit ultrain- telligenten, geschlechtslosen Wesen in Kindergröße konfrontiert – 237 Jahre sind sie alt. Sie wissen alles: Alles, was passiert ist, alles, was pas- sieren wird und alles, was Adam und Eva denken. Diese Erkenntnis kön- nen Adam und Eva nicht verarbeiten. Dazu kommt, dass die Wesen mit dem Paar spielen. Sie stellen den beiden groteske Rechenaufgaben und kommen zu dem Schluss: „Zu- sammenzählen können sie nicht.“ Die Drangsalierung hat damit kein Ende. Plötzlich tanzen Adam und Eva, wissen nicht warum. Sie wissen nur, dass sie es nicht wollen. Für den Zuschauer, der zwar all- mählich verstanden hat, was ex- ponentieller Fortschritt bedeutet, dass Innovation und Forschung im- mer schneller voranschreiten, dass sich die Gesellschaft immer rapider verändert, ist die Vorstellung einesallwissenden Wesens schwer zu greifen. So diskutiert der Meining-Strei- fen nicht nur die Frage, ob man über- haupt ewig, beziehungsweise nach einem Zeitraum X noch einmal le- ben möchte. Vielmehr fragt „Eden 3030“ nach dem Gefüge, in dem man sich 1000 Jahre später wieder- findet. Wer verspricht den Konser- vierten, die 20 000 Dollar aufwärts zahlten, dass sie nicht versklavt wer- den? Wer garantiert ihnen, dass sie sich zurechtfinden werden? Wer kann ihnen sagen, dass sich diese Wette aufs Ungewisse lohnt? Keiner. Und doch haben sich laut Aussa- gen des Kryonikers Andreas Kabus bereits zwischen 900 und 1000 Men- schen weltweit in Stickstoff lagern lassen, vornehmlich in den USA. Ka- bus plant es selbst, wie er nach der Filmpremiere im Schauspiel bei einer Diskussion verrät. Der 36-Minüter überzeugt nicht nur durch die klare Bildsprache, durch wohlüberlegte Einstellungen, die einen Perfektionisten hinter der Kamera vermuten lassen. Tatsäch- lich hat die hochschwangere Tochter von Harriet Maria und Peter – Re- becca Meining – die Hauptkamera geführt. Auch die Farben vermitteln einen Minimalismus, der „Zukunft“ schreit. Das dazugehörige Colorgra- ding ist durchaus gelungen. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, zum Beispiel durch den öster- reichischen Dialekt von Adam oder durch die bloße Vorführung der Er- wachsenen durch die „Kinder“, wie das Paar sie nennt. Der exzentrische Kryonikboss zaubert schon zu Be- ginn mit seiner besonders betonten Aussprache ein Lächeln auf die Lip- pen. Allein, dass Adam ein buntes Hawaiihemd trägt, sorgt für belustigende Irritation. Dazu kommen die offensichtli- chen Easter Eggs, zum Beispiel in Form eines deplatziert durch die Szene laufenden Schafs. Dass hierbei auf Dolly, das erste geklonte Säu- getier, angespielt wird, ist den meis- ten klar. Oder einer der ersten Ka- meraschwenks auf ein Bonsaibäum- chen in dem modernen Foyer, der auf den Baum der Erkenntnis in der Genesis anspielt. Biblische Motive ziehen sich – nicht zuletzt durch die Namenswahl der Protagonisten – durch den Film. Und das funktioniert. Nach etwas über einer halben Stunde schließt sich der Kreis, ergeben die Anspie- lungen Sinn, freut sich der Zuschau- er, diese verstanden zu haben. So schaffen es die Meinings, ein hoch- komplexes Thema, kaum greifbar für die meisten, verständlich in einen sehenswerten Kurzfilm zu transportieren. Dass sie ein Händchen dafür ha- ben, den Blick in unbekannte Ferne zu werfen, bewiesen sie auch in den ersten beiden Teilen der inoffiziellen Trilogie. „Falter“ (2019) erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich in unbekannt ferner Zukunft, von Einsamkeit geplagt, für den Kauf eines Androiden entscheidet. In „Der Kopf der Katze“ (2021) lernt eine Siebenjährige von ihrer Mutter Lektionen in allen Lebensla- gen. Dafür zahlt sie einen hohen Preis: ihre Kindheit. Zukunft, zu- meist ungewiss, die können sich Harriet Maria und Peter Meining vorstellen.
Elias Hantzsch inn DNN 9.4.2024







DRESDEN PREMIERE 5.4.20 Uhr Staatsschauspiel Dresden/Kleines Haus
im Anschluss Gespräch "Wollen wir ewig leben" Der Schriftsteller und Wissenschaftsmoderator Tobias Hülswitt diskutiert mit dem Soziologen Prof. Dirk Baecker, dem Molekularbiologen und Stammzellforscher Prof. Hans R. Schöler und dem Kryoniker und Unternehmer Andreas Kabus den Wunsch nach Unsterblichkeit.
Uraufführung : 57. internationale Hofer Filmtage 24.-29.10. 2023
Adam und Eva entscheiden sich in einem Kryonik Institut für eine entsprechende Konservierung nach ihrem Tod. 1000 Jahre später werden Sie von einer Gruppe unsterblicher „Kinder“ im Labor einer futuristisch, artifiziellen Station wieder zum Leben erweckt.
mit
Llewellyn Reichmann
Samouil Stoyanov
Lars Rudolph
in weiteren Rollen:
Emily Bao Yen Le, Lina Berge, Maisha Evelyn Fischer, Lily Mercene, Akym Nasir, Tiana Rajmohan

gefördert durch die MDM, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Kulturamt der Stadt Dresden und die SLM